Lucia Ronchetti:
Der Sonne entgegen
Der Sonne entgegen
Szenisches Konzert für 14 Stimmen, Blechblasensemble und Live-Elektronik (2007, rev. 2009) UA der Neufassung
?Der Sonne entgegen? ist eine dramatische Meditation für 14 GesangssolistInnen, Blechblasensemble und Live-Elektronik. Neue und alte Grenzen unserer hyperkommunikativen Welt bilden Hauptthemen und zugleich Ausgangspunkt des Projektes.
Die Intention der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti und der Dramaturgen besteht in der Schaffung eines Musiktheaters, das den traditionellen Gedanken von SolistInnen und Hauptcharakteren verwirft zu Gunsten einer sich verwandelnden und fluktuierenden Gemeinschaft, aus der einzelne Personen auftauchen und wieder verschwinden.
Die Dramaturgie folgt den vielfachen Transformationen der 14 DarstellerInnen in fragmentierten, assoziativ verbundenen und dramatischen Situationen. Sie treten als EuropäerInnen auf, die einen scheinbar paradiesischen Urlaub auf einer exotischen Insel genießen, als Flüchtlinge, die sich in wüstenähnlicher Umgebung einer unüberwindlichen Barriere gegenübersehen, als Staatenlose oder Überlebende in der Ersten Welt, und schließlich als unbekannte Intellektuelle, die in komplexe Diskussionen über Gebietsverlust und Migration vertieft sind. Eine junge Eiskunstläuferin, die durch den polierten Raum und über Grenzen hinweg gleitet, ein Chor der Toten, der an der Grenze stehend die unumschränkte Macht von Zeit erörtert, und ein Eisberg, der von seiner grenzenlosen antarktischen Heimat spricht, sind Außenseitergestalten, externe BeobachterInnen.
Alle Mitglieder des Ensembles sind sowohl SängerInnen als auch SchauspielerInnen. Sie agieren als eine Art Perkussionsorchester, indem sie all ihre Klänge mit ihren Stimmen, ihren Körpern und einfachen Requisiten erzeugen und die Bühne selbst als eine riesige Trommel benutzen. Über weite Strecken des Stückes gibt es kein Klangzuspiel; lediglich das schlichte und bisweilen zerbrechliche a cappella der DarstellerInnen.
Am Ende des Werkes gestaltet das Blechblasensemble ein metahistorisches Ereignis, das an die Sintflut erinnert; eine Neufassung dieser biblischen Geschichte, in der alles zu komplex, zu schwach verbunden erscheint, um jemals entschlüsselt werden zu können. Diese Regenflut reißt DarstellerInnen, MusikerInnen und Publikum mit sich fort.
Komposition: Lucia Ronchetti
Text: Steffi Hensel
Mit dem Kammerensemble Neue Musik Berlin
VokalsolistInnen
Katia Guedes, Andrea Chudak, Ruth Rosenfeld, Estelle Lefort (Sopran)
Anna Charim, Regina Jakobi (Mezzosopran)
Kyoung-Ran Won, Claudia van Hasselt (Kontraalt)
Volker Nietzke, Eloi Prat i Morgades, Florian Just (Tenor)
Martin Gerke, Simon Robinson, Andreas Fischer (Bass)
Musikalische Einstudierung: Daniel Gloger
Musikalische Leitung: Timo Kreuser
Szenische Einrichtung: Michael von zur Mühlen
Video: Elisabetta Benassi
Raum/Licht: Lothar Baumgarte
Kostüme: Svenja Gassen
Klangregie/Live-Elektronik: Thomas Seelig
Produktionsleitung: Barbara Gstaltmayr
Eine Autorenproduktion in Zusammenarbeit mit MaerzMusik | Berliner Festspiele und Sophiensaele, gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds, der Kunststiftung NRW, des NRW KULTURsekretariat/Fonds Experimentelles Musiktheater, des Deutschen Musikrats, der Initiative Neue Musik Berlin, des Berliner Künstlerprogramm des DAAD und des Istituto Italiano di Cultura Berlino
Auftragswerk Fonds Experimentelles Musiktheater | UA Gelsenkirchen, 12.5.2007
www.berlinerfestspiele.de/maerzmusik
Foto © Elisabetta Benassi